Re-enactor,
Du kannst Dich wirklich glücklich schätzen, denn Mitte des 19. Jahrhunderts waren die
schädlichen Nebenwirkungen des Tabaks allgemein und insbesondere die des 'blauen Dunstes'
noch völlig unbekannt. So können wir alle auf den Veranstaltungen unserer Nikotinsucht
noch ohne jegliche Bedenken frönen - genauso wie die Männer (und Frauen) damals in
Nordamerika. Denn alle Arten von Tabak waren damals weitverbreitete - weil billige -
Genussmittel und so wurde dann auch geraucht, gepriemt und geschnupft was das Zeug hielt.
Beachten müssen wir dabei nur einige Feinheiten und die damalige Etikette, denn in
welcher Art und Weise der Tabak genossen wurde, war abhängig vom jeweiligen sozialen
Status. Da Kau- und Schnupftabak bei uns in der 17th Mo Vols (gottseidank) recht selten
anzutreffen ist, viele von uns aber Raucher sind, will ich schwerpunktmäßig mal ein
'bisschen Lebenshilfe' zum historisch korrekten Umgang mit dem 'blauen Dunst' für unsere
Einheit zusammenzustellen. Inspiriert und informiert hat mich hierzu der Artikel von Walter
Glomp ("Tabak im amerikanischen Bürgerkrieg"), der in The Marion
Rifleman (Vol. 13(2), S. 28-31, 2002) erschienen ist und welcher auf guten Recherchen
zu basieren scheint (zum Nachlesen empfohlen).
1. 'Blauer Dunst' aus Zigarren/Zigarillos
Zigarren (in der kleineren Ausführung auch als Zigarillos bezeichnet), genossen schon
immer den Ruf eines Statussymbols, denn sie waren damals wie heute teuer und je
größer/erlesener, desto seltener sah man sie. Zigarren wurden damals sicherlich nicht -
wie von manchem heute Zigaretten - 'am laufenden Meter' geraucht. Sie bestanden aus ganzen
Tabakblättern oder aus kleingeschnittenem Tabak, der umhüllt war von einem speziellen
'Deckblatt' aus Tabak. Transportiert wurden die Zigarren möglichst griffbereit am Körper
und entsprechende Behältnisse sorgten für die Bruchsicherheit (im wesentlichen die
gleichen Behältnisse wie heute - allerdings sind die heutigen Einzelumhüllungen aus
Glas- oder Aluminium eine 'Erfindung' unserer Verpackungsmüll- Gesellschaft).
Aufgrund des hohen Preises dürfte der Genuss einer Zigarre für einen damaligen
Private schon ein 'Event an sich' gewesen sein. Er wird sich im Lager aber auch schon mal
zur Feier der Soldausgabe so ein 'Teil' gegönnt haben und auf Campaign bestand natürlich
immer mal die Möglichkeit von den 'Grauen' solche 'Teile' zu requirieren, denn gute
Rauchwaren waren im Tabak produzierenden Süden ja keine Mangelware.
Während zu dem damaligen 'Mann von Welt' einfach die gute Zigarre gehörte, rauchten
die Damen der guten Gesellschaft natürlich keine Zigarren oder Zigarillos - zumindest
nicht in der Öffentlichkeit, denn dieses hätte schlagartig ihren Ruf ruiniert und sie
auf die gleiche soziale Stufe mit den damaligen 'Bordstein-Schwalben' gestellt
(Zigarre/Zigarillo bei Frauen hatten damals vermutlich die gleiche 'Signal'-Wirkung wie
sie heute von 'High-Heel-Kürrasier-Stiefeln' mit dazu passendem Minirock ausgehen).
Zusammenfassend ist der Gebrauch von Zigarren/Zigarillos auf Re-enactments also völlig
in Ordnung. Sollte Euch trotzdem jemand mal wegen dem allzu häufigen Konsum darauf
ansprechen, dann sagt einfach: Ihr hättet zuviel Geld oder der letzte Rebell, den ihr
ausgeplündert habt, hatte einfach zuviel davon bei sich! ;-)
2. 'Blauer Dunst' aus Pfeifen
Was ihr nach Herzenslust auf Re-enactments immer problemlos benutzen könnt, ist die
Pfeife, denn diese wurde von allen (mit Ausnahme der Damen der Gesellschaft natürlich)
und bei jeder sich bietenden Gelegenheit geraucht. Die Standes-Unterschiede bestanden
damals - so wie heute bei den Autos - in den Preisen, denn wer es sich leisten konnte,
benutzte natürlich die höhere Qualität oder die prunkvollere Ausführung.
Ein reicher 'Pinkel' protzte also - damals wie heute (wenn ich da an die Preise für
eine Dunhill-Pfeife denke) - mit Pfeifen deren Kopf entweder aus edel gemasertem
'Bruyere'-Wurzelholz , Speckstein, Meerschaum oder Porzellan bestand (möglichst als
exklusive Einzelanfertigung). Die Mundstücke waren noch aus Holz oder Bein, denn die
heutigen schwarzen Mundstücke aus Parakautschuk gab es damals noch nicht. Seinen Tabak
bewahrte er in edlen, verzierten Dosen oder Kästchen aus Holz mit dicht schließendem
Deckel auf und gestopft wurde mit einem Pfeifenbesteck bestehend aus Stopfer, Stechdorn
und Auskratz-Löffelchen, natürlich reich verzierten und wenn möglich aus Silber (damit
es dann so richtig weh tat, wenn man es mal wieder verloren/verlegt hatte).
Der 'Mittelklasse-Herr' begnügte sich mit einer professionell/industriell gefertigten
Pfeife aus gutem (Wurzelstock-?)Holz, geschnitztem Stein oder verziertem weißen Ton;
lagerte seinen Tabak in einem Lederbeutel oder einer einfachen Dose und benutzte ein
einfaches, billigeres Pfeifenbesteck.
Die Pfeifen, die von noch weniger Betuchten benutzt wurden, waren meist aus
selbstgeschnitztem (Wurzelstock-?)Holz, schlichtem weißen Ton oder - weitverbreitet in
Nordamerika - aus Maiskolben. Aus den, heute im Handel erhältlichen Maiskolbenpfeifen
raucht es sich eigentlich recht gut, nur sollte man dabei das (ätzende) bernsteinfarbene
Plastikmundstück gegen ein Holzröhrchen aus einer Weide o.ä. austauschen. Ein
geschmiedeter Nagel mit flachem, breitem Kopf eignet sich zum Nachstopfen und Ausräumen
der Pfeife genauso gut wie ein Pfeifenbesteck und rundet neben der Maiskolben-Pfeife die
(Darstellungs-)Ausrüstung für einen Private ganz gut ab.
Die Güte des Grobschnitt-(Pfeifen-)tabaks war auch statusabhängig, denn je höher der
Status, desto mehr duftende Aromastoffe enthielt dann der Tabak (der dann auch
entsprechend teurer war wegen des aufwendigen Fermentations-Verfahren). Die bei Seeleuten
beliebten Presstabake, wie 'Flakes' und 'Navy Cuts', eignen sich recht gut zum Gebrauch
auf Re-enactments und haben den Vorteil für den Re-enactment-Gelegenheitspfeifenraucher,
dass sie zwischen den Veranstaltungen nicht so schnell austrocknen. Der
Gelegenheitspfeifenraucher, der seinen gewohnten Zigarettentabak in der Pfeife rauchen
möchte, sei allerdings an dieser Stelle gewarnt: der Feinschnitt-(Zigaretten-)tabak wird
völlig anders schmecken und durch die starke Hitzeentwicklung kann das Holz des
Pfeifenkopfes 'durchbrennen' (Abhilfe: kleine, sogenannte 'Shag-Pfeife' verwenden,
vorsichtig den Rauch einziehen und häufig nachstopfen).
Fassen wir zusammen: Ob mit Grob- oder Feinschnitt gefüllt, der Gebrauch einer Pfeife
auf Re-enactments ist völlig ok. Achtet auf die oben genannten Feinheiten und alle
sollten dann mit Eurer 'Blauen Dunst'-Darstellung zufrieden sein.
3. 'Blauer Dunst' aus Zigaretten
Die Zigarette wird bei uns in der 17th Mo Vols auch liebevoll das 'Kreidestäbchen'
genannt, weil wir glauben, dass der Benutzer gerade auf der Suche nach einer Tafel oder
Wand ist, auf der er dann 100mal schreiben möchte: 'Ich schäme mich für den Versuch
dieses Anachronismus'! ;-)
Aber Spaß beiseite, das Thema 'Benutzung von Zigaretten auf Re-enactments' erhitzt
manchmal schon die Gemüter und es grenzt schon fast an Legendenbildung, wenn man einige
der Argumente hört, die da in die Diskussion eingeworfen werden. Und da möchte ich dann
auch noch ein paar Informationen dazuwerfen:
Das eine 'Zigarette' bröseligen Feinschnitt-Tabak enthält, der in Papier eingerollt
ist, brauche ich ja keinem mehr erzählen. Aber gerade die Auswahl des richtigen
Zigarettenpapiers ist hier entscheidend, denn es war damals relativ grob mit einer
gelblichen Färbung - durchaus vergleichbar mit heutigem Zeitungspapier. In einer weiteren
Variante, den sogenannten 'Cigaritos' (von Mexikokriegs-Veteranen häufig geraucht),
wurden - statt Papier - sogar Maisblättern (!) zum Einrollen des Feinschnitts genommen.
Andere Alternativen, wie z.B. das heute auch verwendete Reispapier, kamen erst nach dem
Bürgerkrieg in Gebrauch.
Interessant für unser Hobby ist die Verbreitungsgeschichte der Zigarette, die
ausgehend von Lateinamerika über Spanien, Portugal, Italien, den Balkan und den mittleren
Osten ihren Weg bis nach Süd-Rußland fand. Dort lernten sie dann die Engländer im
Krimkrieg (1854-56) kennen, die sie schließlich nach Westeuropa in die Rauchsalons
brachten. Hier verbreitete sich dann die Zigarette insbesondere in Frankreich und
interessanterweise hier als spezielles 'Rauchutensil' für Frauen - allerdings nur bei
Frauen, die sich zur damaligen, sogenannten Avantgarde ('den Schrittmacher') zählten.
Die USA orientierten sich Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur in
militärischen und modischen Dingen an den französischen Vorbildern und so verwundert es
auch nicht, dass einige Frauen in den USA begannen ihren französischen
Geschlechts-Genossinnen auch in diesem Brauch nachzueifern (die Betonung liegt hier auf
'Frauen', denn für korrekte, wohlerzogene 'Damen' war Zigarettenrauchen natürlich
'unschicklich', wie aus einem damaligen Benimmbuch hervorgeht).
Da das Rauchen von Zigaretten als eine rein weibliche Angewohnheit angesehen wurde,
fand dies bei den damaligen Männern keine/kaum Nachahmung. Daneben waren die vor dem
Bürgerkrieg in den USA erhältlichen, bereits fertig gedrehten Zigaretten noch sehr teuer
(weil handgefertigt und nur aus Kuba stammend). Es muss sich dann aber auch so etwas wie
eine US-Zigarettenindustrie entwickelt haben, denn bis 1864 tauchten zwei
Zigaretten-Marken ('Durham' und 'Century') auf dem US-Markt auf und 1864 erlies der Norden
sogar eine erste Bundessteuer auf Zigaretten.
Soweit einige Informationen zum Thema Zigaretten zur Zeit des amerikanischen
Bürgerkriegs. Beim Fazit dieses heiklen Themas zitiere ich am besten W. Glomp im Original
-
"Also: Zigarettenrauchen bei einer Darstellung ist möglich, allerdings mit dem
richtigen Papier, welches übrigens auch nicht gummiert war. Der Tabak sollte bröseliger
Feinschnitt sein und vor 1864 handgerollt. Nach 1864 können auch maschinell gefertigte
Zigaretten dazukommen (ohne Filter, selbstverständlich!), aber man muß sich immer vor
Augen halten, daß die Dinger damals sehr teuer waren. Darüber hinaus muß sich ein Mann
mit Sicherheit dumme Sprüche über sein weibisches Verhalten ("Hey, schwul, oder
was?") anhören und Damen, die Zigaretten rauchen, sollten sich über ihren
Avantgarde-Status im klaren sein und ihre Darstellung auch entsprechend präsentieren."
4. 'Blauer Dunst' - Etikette und Zündmittel
Damals galt beim Rauchen ein feste Regel der Etikette, die jeder beachtet hat: In
Gegenwart von Damen wurde NICHT geraucht, denn Tabakqualm wurde damals (wie auch heute)
als eine Beleidigung der damenhaften Nasen angesehen! Also, sobald eine Dame
'anrauscht' werden brennende Zigarren oder Pfeifen entweder abgelegt oder in der Hand
verborgen und in Anwesenheit der Dame nicht mehr weiterbenutzt. Erst wenn die Dame wieder
'entschwebt' ist, werden 'Stumpen oder Pipe' wieder angezündet. Die damaligen Damen
hatten aber auch ein Einsehen und benahmen sich rücksichtsvoll gegenüber den rauchenden
Herren. So zogen sie sich - beispielsweise nach dem Essen - diskret zurück, um dem
Rauchgenuss der Herren nicht im Weg zu stehen.
Zum Anzünden am Lagerfeuer benutzt man kleine Ästchen (denn 'Dosen-Feuer' =
Feuerzeuge existierten damals noch nicht) oder die heutigen Streich- oder Zündhölzer,
denn diese sogenannten 'Safety Matches' waren zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs
auch schon vorhanden (und können daher für die Darstellung problemlos benutzt werden -
einfach eine moderne Zündholzschachtel mit einem zeitgenössischen Etikett, wie z.B.
'Lucifers', bekleben).
5. Verwendung von Kau- und Schnupftabak
Kautabak war zu Zeiten des Bürgerkriegs die am meisten verbreitete und verkaufte
Tabaksart in den USA. So stand eine Ration Kautabak, im Gegensatz zu Rauchtabak, zum Teil
auch auf der Verpflegungsliste der Soldaten (manche haben ihre Ration dann allerdings auch
geraucht). Die mit dem Genuss von Kautabak verbundenen gelben Zähne und das brennende
Zahnfleisch sowie das Ausspucken des braunen 'Priem-'Safts (der übrigens auf Holzböden
Flecke hinterlässt, die nur durch Abhobeln wieder beseitigt werden können) wurden damals
anscheinend nicht als 'unschicklich oder unappetitlich' angesehen und sogar Frauen der
'Lower Class' priemten (bei den Damen der 'Upper Class' war dies allerdings
unvorstellbar). Vorteilhaft gegenüber dem Rauchtabak ist damals wie heute, dass
Kautabak-Genuss mit Sicherheit kein Risiko der Brandgefahr in Ställen und Lagerhallen
oder beim Umgang mit Schwarzpulver birgt und man jederzeit beide Hände frei hat. Der Name
'Kau'-tabak ist nicht ganz zutreffend, denn der Kautabak-Priem wird nur von einer in die
andere Backentasche geschoben. Der Speichel löst dann Geschmacksstoffe und Nikotin aus
dem Priem, die über die Schleimhäute aufgenommen werden und man muss häufig und viel
ausspucken, da die Speichelproduktion dabei angeregt wird. Das Schlucken des Saftes hat
die Wirkung eines 100%igen Brechmittels und Priem-Ungewohnte sollten wegen weiterer
'Nebenwirkungen' vorher zu Hause auf dem stillen Örtchen üben, damit dann der spätere
'Rettungs-Weg' nicht zu weit ist - die Kopfschmerzen, die man vom Priemen bekommt, sind
übrigens ganz normal. Wenn Euch diese Aufzählung bisher nicht abgeschreckt hat, dann
könnt ihr es ja mal versuchen. Bei dem damaligen Kautabak handelte es sich um grob
geschnittene Tabakblätter mit Rippen und allem anderen, die immer in Wachspapier
eingewickelt waren, damit die Feuchtigkeit des Kautabaks erhalten blieb. In Deutschland
soll es mindestens noch einen Kautabakproduzenten geben und die Marke 'Red Man' soll auch
nicht schlecht sein - von skandinavischen ('Snus') oder amerikanischen Kautabaks ('Skoal')
wird für die Darstellung allerdings abgeraten.
Schnupfen war zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs in Nordamerika nicht mehr 'in'
und wurde allgemein als unfein angesehen. Es fand höchsten noch bei Fuhrleuten, Cowboys
sowie Arbeitern in Bergwerken und Gießereien Anwendung, die durch die feuchte
'Schnupf'-Nase ihre Lungen vor Staub schützen wollten. Am besten ihr erspart Euch die
zwangsläufige Trief-Nase inklusive unappetitlichem Niesen und Ausschnauben (wenn nicht -
dann nehmt unaromatisierte gefettete reine Schnupftabake, wie z.B. 'Doppelaroma', alles
andere ist ungeeignet für die Darstellung).
6. Abschlussbemerkung
Soweit zu den Informationen aus Walter Glomps Artikel - Eurer authentischen 'Blaue
Dunst'-, 'Kau/Spuck'- und 'Schnief/Nies'-Darstellung steht also jetzt nichts mehr im Wege
- außer ihr seid Nicht-Raucher, Nicht-Kauer und Nicht-Schnupfer und dazu noch ein
Mitglied in der allseits beliebten Bibel-Gesellschaft (aber wie ich Mattias kenne, gibt es
für diese gottgefällige Abstinenz auch keinerlei Ermäßigung bei der Eintreibung der
Mitgliedsbeiträge). ;-)
Bei allen Authentizitäts-Anstrengungen sollte die 'Kirche aber im Dorf bleiben'. Wenn
Ihr beim 'Blauen Dunst' improvisieren wollt/müsst und der anachronistische (= nicht der
damaligen Zeit entsprechende) Charakter Eurer Rauchteile in der Öffentlichkeit bei
Entfernungen über 1 Meter als solcher nicht mehr zu erkennen ist, dann erscheint mir dies
als völlig ausreichend (und die Augen der 'Authentik-Experten' sollte es dann auch nicht
mehr beleidigen). Wer aber Aufwand und Kosten in eine authentischere 'Blaue
Dunst'-Darstellung investieren möchte, ist jederzeit aufgerufen dies zu tun (aber ganz
allein für sich persönlich - mit dem Ziel ein weiteres Stückchen Zeitgeschichte zu
're-enacten'). |